Im Januar 2012 wurde ich von Frau Petra Peschel (http://www.petra-peschel.de/)per Email für einen Artikel in der Kundenzeitschrift Securvital interviewed.
Hier der Link auf den Artikel wie er veröffentlicht wurde: http://www.securvita.de/fileadmin/user_upload/PDF-Dateien/auszuege_SECURVITAL/0212-6-11.pdf
Und hier meine original Antworten in voller Länge:
31.01.12
Liebe Frau Peschel, hier sind die Antworten auf Ihre Fragen:
1. Welchen Vorteil bietet Yoga aus Ihrer Sicht für die werdenden Mütter ? (damit meine ich, aus welchen Gründen empfehlen Sie zum Beispiel Yoga in der Schwangerschaft ?)
Jede Geburt ist ein einmaliges Erlebnis und für die Verbindung zwischen Mutter und Kind äußerst wichtig. Deshalb lohnt sich aktive Geburtsvorbereitung immer, nehmen Sie sich die Zeit und machen Sie alles was Ihnen hilft, sich auf die Geburt und den kleinen Menschen zu freuen.
Vorweg zuerst einmal ein wichtiger Punkt zum Begriff Yoga. Denn hier gibt es einige Verwirrung. Manche Frauen denken dabei an eine religiöse Praktik, andere an Hochleistungssport. Wieder andere fragen sich, was eigentlich aus der Schwangerschaftsgymnastik geworden ist.
Bei Yoga für Schwangere geht es um Körperübungen mit denen der Körper beweglicher, kräftiger und auch ausdauernder wird, dazu gehört natürlich das richtige Atmen und auch die Lenkung der Aufmerksamkeit nach innen, in den eigenen Körper und zum Kind. Viele dieser Übungen werden auch bei der Schwangerschaftsgymnastik gemacht, allerdings fehlt hier oft die Atemtechnik und die Aufmerksamkeit.
Also jede gesunde Schwangere kann Yoga machen und profitiert davon, egal welcher Religionsgemeinschaft sie angehört und egal wie fit sie ist.
Als nächstes kommt es natürlich darauf an, wo sie Schwangerenyoga machen wollen. In einem Yogastudio wird vielleicht das Yoga präziser sein, dafür fehlt es an praktischem, bewährtem Hebammenwissen. Bei einer Hebamme wird der Schwerpunkt vielleicht mehr auf die Geburt ausgerichtet sein und dafür sind die Positionen nicht ganz so präzise.
Doch zu den Vorteilen von Yoga für Schwangerschaft und Geburt lässt sich ganz Allgemein sagen:
- die Frauen lernen die richtige Atemtechnik für die Geburt (d.h. Fokus und Konzentration für die Frau, Sauerstoffversorgung für´s Kind um es sehr zu vereinfachen)
- die Frauen lernen sich aktiv zu entspannen. Das ist wichtig für die Wehenpausen, zum Kräfte sparen. Einfach abschalten und loslassen können. Aber auch für die Verarbeitung der Wehen eine wichtige Technik.
- Durch die Körperübungen bekommen die Frauen Muskelkraft, Ausdauer und eine gewisse Fitness für die Geburt. Oft sind nämlich nicht die gefürchteten Schmerzen das Problem sondern schlicht und ergreifend die fehlende Kondition für im Schnitt 14 Stunden Schwerstarbeit bei einer Erstgebärenden.
- Viele Schwangerschaftsbeschwerden werden gelindert bzw. verschwinden ganz, wie z.B. Rückenschmerzen oder Ischiasprobleme.
- Es macht Spaß! Die Kombination von Muskelaufbau und Dehnung ist perfekt. Der Beckenbereich wird gelockert. Positionen wie die “tiefe Hocke” weiten den Beckenausgangsraum und sind sehr effektiv auch unter der Geburt. Oft kann eine “tiefe Hocke” eine Saugglockenentbindung verhindern. Aber auch Positionen wie der Knie-Ellbogenstand sind effektiv um die Wehenintensität ein bisschen zu bremsen.
- Geburt ist Bewegung. Die Geburtsdauer wird eindeutig verkürzt durch Bewegung unter der Geburt und aufrechte Gebärpositionen, die im Yoga geübt werden.
- Nach dem Yoga haben die Frauen i.d.R. mehr Energie auch für den Alltag. Oft sagen mir die Frauen das es fast eine ganze Woche bis zum nächsten Yogatermin angehalten hat!
In meinen Kursen lernen die Frauen u.a. auch das Tönen. Eine weithin unterschätzte Technik über die jeder erstmal lächelt, bis es dann zum Einsatz kommt. Das ist eine erweiterte Form der Atemtechnik. Das Tönen bringt eine Energie in die Geburt, von der die Frauen und die Kinder extrem profitieren. Die Frauen kommen viel besser mit den Wehen klar und die Herztöne der Kinder unter der Geburt sind besser. Geht es der Mutter unter der Geburt gut, geht es dem Kind auch gut!! Außerdem werden sie von mir durch eine Art autogenes Training bei der Entspannung am Ende des Kurses ganz positiv auf Ihre Geburt mental (!) vorbereitet. Denn: “Die Geburt ist ein Gehirnvorgang” (Michel Odent).
2. Sicher auch oft eine Frage der Frauen: Kann Schwangerenyoga andere Kurse wie Geburtsvorbereitung oder Schwangerschaftsgymnastik ersetzen ?
Ein Geburtsvorbereitungskurs für Erstgebärende ist meiner Meinung nach nötig!
Die vielen wichtigen Informationen zum richtigen Geburtsort, was Gebären überhaupt ist und warum es sich lohnt sich durchzukämpfen, was für Vor-und Nachteile eine Narkotisierung (z.B. eine PDA) mit sich bringen, wie der Partner helfen kann, was im Wochenbett zu erwarten ist und vieles mehr, ist mehr als sinnvoll.
Für mehrgebärende Frauen kann der Besuch der Schwangerenyogas ausreichend sein. Aber auch sie profitieren oft vom Besuch eines weiteren Geburtsvorbereitungskurses. Schwangerschaftsgymnastik ist ähnlich wie Schwangerenyoga. Viele Übungen sind gleich. Wichtig ist das die Übungen den schwangeren Frauen helfen sich körperlich auf die Geburt vorzubereiten. Beim Yoga kommt eben auch die bewusste Atmung dazu und die nach innen gerichtete Achtsamkeit. Ich würde sagen tendenziell ist Yoga ganzheitlicher, aber wem Schwangerengymnastik besser gefällt – nur zu. Es kommt natürlich auch auf die jeweilige Kursleiterin an.
Bei der körperlichen Geburtsvorbereitung ist eine kontrollierte Anstrengung nötig, denn sonst passt sich der Körper nicht an. Lachen Sie nicht, viele Frauen sind mittlerweile in einer solchen Konsumhaltung, dass sie meinen vom Zusehen fit zu werden. Wenn ich das Schwangerenyoga anleite achte ich deshalb darauf, dass die Frauen sich auch anstrengen.
Hier helfen die klar definierten Yoga-Positionen eindeutig, denn es macht einen gewaltigen Unterschied ob ich eine Übung richtig mache oder ob ich sie fast richtig mache. Fast richtig ist nämlich fast schon Vermeidung, die Effekte sind dann sehr viel geringer.
Legen Sie z.B. einmal Ihre Hände auf die jeweils gleiche Schulter, also die linke Hand auf die linke Schulter und die rechte Hand auf die rechte Schulter. Richten Sie Rücken und Nacken auf und beschreiben Sie jetzt langsam Kreise mit den Ellbogen. Während Sie tief einatmen, kommen die Ellbogen nach vorne und dann nach oben in Richtung Decke. Jetzt atmen sie lange aus und bringen die Ellbogen dabei weit nach hinten und nach unten. Und wieder tief einatmen und die Ellbogen nach oben bringen. Wiederholen Sie diese Übung sieben mal hintereinander und achten Sie auf die Größe Ihrer Ellbogenkreise und Ihre Atmung. Wenn Sie das FAST richtig machen merken Sie nur wenig. Wenn Sie es dagegen richtig machen, merken Sie wie alle Muskeln im Schulter und Brustbereich arbeiten müssen – wie sie sich anspannen und dann dehnen. Das ist übrigens eine wichtige Übung aus dem Schwangerenyoga.
3. Gebären Ihrer Erfahrung nach Frauen, die Yoga in der Schwangerschaft machen, „leichter“ – mit mehr Zuversicht zum Beispiel, emotional gestärkter bzw. gelassener, aber auch körperlich mit mehr Möglichkeiten und zum Beispiel weniger Dammrissen oder ähnliches – bzw. empfinden die Frauen ihre Geburten leichter ?
Das kann ich eindeutig mit JA beantworten. Aus meiner bisherigen Erfahrung (6 Jahre Freiberuflichkeit) konnte ich das eindeutig feststellen, dass die Frauen die regelmäßig (!) ins Schwangerenyoga gekommen sind, kürzere Geburten hatten, motivierter waren, besser vorbereitet auf allen Ebenen, positivere Geburtserlebnisse hatten. Meine Frauen erzählen mir oft im Wochenbett, dass sie von der Kreissaalhebamme die sie bei der Geburt betreut hat, nach der Geburt gefragt wurden, bei wem sie denn den Geburtsvorbereitungskurs gemacht hätten, da sie so gut klar gekommen wären und so gut mitgeatmet hätten. Wichtig ist dabei natürlich auch die Gruppe, hier sind die Schwangeren unter sich und sie werden von mir natürlich auch positiv bestärkt. Auch lassen sich die vielen Fragen klären.
4. In anderen Kulturen (z.B. Schwarzafrika) gebären die Frauen nicht in Rückenlage, sondern in typischen Positionen wie dem Vierfüßler oder der Hocke; versetzt Yoga die Frauen hierzulande ebenfalls in die Lage, andere Positionen, in denen sie sich womöglich eher wohlfühlen, im Geburtsprozess einzunehmen oder ermuntern Sie die Frauen dazu ?
Natürlich!! Es ist eindeutig wissenschaftlich bewiesen, das Frauen in aufrechten Gebärpositionen leichter, schneller und einfacher entbinden. Oft weniger Dammverletzungen aufweisen und die Kinder nach der Geburt fitter sind! Die typische Steinschnittlage im Krankenhaus (Rückenlage mit Beinen in den Beinhaltern) ist eindeutig, gleich nach dem Kopfstand, die ungünstigste Position für Mutter und Kind und das aus verschiedenen Gründen. Geschickt ist es nur für die Geburtshelfer, da sie nicht auf dem Boden rumkrabbeln müssen. Das ist bei Haus- oder Geburtshausgeburten aber ganz normal und geht auch im Krankenhaus, wird dort aber seltener praktiziert, oft auch wegen der hohen PDA Raten. Sie können sich die Geburtspositionen auch als Spiel mit der Schwerkraft vorstellen. Während das Kind sich seinen Weg durch den Geburtskanal sucht, hilft ihm die Mutter indem sie ihre Position so verändert, das die Schwerkraft bei der Bewegung hilft oder auch bremst.
(Ich könnte mir vorstellen, der Wunsch nach anderen Positionen als klassischer Weise auf dem Rücken taucht auch automatisch bei den Frauen selbst auf ?, bei mir wäre das in jedem Fall so…)
Bei Haus-und Geburtshausgeburten suchen sich die Frauen unter Anleitung der Hebamme ihre Positionen selbst aus. Raten sie mal wie viele Frauen sich auf den Rücken legen :-)?
Das können die Frauen im Krankenhaus natürlich auch, doch dort müssen sie das selber einfordern. Und es erfordert Wissen (guter Geburtsvorbereitungskurs ;-) und ein gewisses Selbstbewusstsein, um sich dort aktiv aus der “Opferhaltung” heraus zu begeben.
Meine Empfehlung ist, den Hebammen im Krankenhaus klar mitzuteilen, wie man sich die Geburt vorstellt. Das ist z.B. bei Schichtwechseln eine schöne Aufgabe für den Mann und das Team dort wird es ihnen danken.
[…] Ich hoffe ich habe Ihnen helfen können und Sie können etwas damit anfangen. Ich könnte mich noch weitere 3 Stunden auslassen aber ich glaube das sprengt den Rahmen :-)Liebe Grüße
Heike Riefler
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